"Siebenbürgen Connect" - ein Projekt der ECOS-HLW Bad Ischl zur "Kulturhauptstadt 2024"
Abstract:
Das Projekt "Siebenbürgen Connect" hat sich aus dem Kulturhauptstadt-Bidbook-Projekt "Balkan Route" weiterentwickelt. Statt dem Balkan und Rumänien als Ganzes steht auf Wunsch der Projektträger nun die rumänische Region "Siebenbürgen" und der Austausch mit Schüler:innen verstärkt im Mittelpunkt. Das Projekt soll das Bewusstsein für die gemeinsame Geschichte erweitern, Stereotype über Rumänien in Frage stellen und Startschuss für eine langfristige Kooperation zwischen der HLW Bad Ischl und dem Samuel-von-Brukenthal-Gymnasium in Sibiu/Hermannstadt sein.
Parallel zum historischen Input erfolgt eine künstlerische Auseinandersetzung, in deren Rahmen zwei Künstler:innen vor Ort (in AT bzw. RO) die Schüler:innen vorbereiten. Dabei geht es um die künstlerischen Möglichkeiten der Aufarbeitung des gesammelten Materials. Ziel ist es, die Schüler:innen reflektieren zu lassen, welches Medium was mittransportiert (z.B. Handyfotografie vs. analoger Fotografie (Einwegcameras); Nachrichten in SMS-Form oder als Mail/Insta/usw vs. ein handgeschriebener Brief,…).
Projektleiter:
Prof. Dr. Michael Kurz (Historiker); Direktor Mag. Rainer Posch (Schulleiter), beide ECOS-HLW Bad Ischl
Beteiligte Künster:innen:
In Österreich: Ovidiu ANTON
In Rumänien: Lia Perjovschi (angefragt); in ihrer künstlerischen Arbeit setzt sie sich sehr präzise und vor allem sehr sensibel mit Archiven und Wissenstransfer auseinander. Sie lebt und arbeitet in Sibiu.
Das Projekt
"Siebenbürgen Connect" ist eine Spurensuche und ein Austauschprojekt. Ausgehend von der Tatsache, dass das Salzkammergut eine tiefe historische Verbindung mit der Region "Siebenbürgen" in Rumänien hat und diese zunehmend in Vergessenheit gerät, hat das Projekt "Siebenbürgen Connect" zum Ziel, diese Verbindung wieder ins Bewusstsein zu rufen und europäische Beziehungen auf der Ebene von Schüler:innen der Sekundarstufe 2 zu fördern.
Eine Klasse der HLW Bad Ischl beschäftigt sich ab dem Sommersemester 2023 mit "Siebenbürgen". Welche historischen Spuren finden wir heute dazu im Salzkammergut? Wie sieht die Erinnerungskultur dazu aus? Welche Aspekte sind verankert, welche nicht (mehr)?
Im Rahmen des Unterrichts setzen sich die Schüler:innen zunächst mit den historischen Gegebenheiten auseinander und starten mit der Spurensuche in der Region. Sie besuchen beispielsweise das Heimat- und Landlermuseum in Bad Goisern und das museum.ebensee. Vertreter:innen der "Siebenbürger Sachsen" in Oberösterreich und der OÖ. Landlerhilfe kommen in den Unterricht und erzählen über ihr Leben und Tun. In Kleingruppen werden verschiedene soziopolitische Themenaspekte aus Gegenwart und Vergangenheit vertiefend recherchiert und bearbeitet. Der Kontakt zu und Austausch mit rumänischen Communities in der Region soll gesucht werden.
Bad Ischler Schüler:innen in Rumänien
Im Herbst 2023 erfolgt eine einwöchige Exkursion nach Sibiu in Rumänien. Vorab nehmen die Schüler:innen von Österreich aus bereits Kontakt zu verschiedenen Institutionen, Vereinen oder Einzelpersonen auf.
Vor Ort wird die Kleingruppenarbeit weiter vertieft und die Erfahrungen und Ergebnisse der Schüler:innen werden dokumentiert. Die Art der Dokumentation und das Format bleibt dabei den Schüler:innen überlassen (Instagram-Kanal der Schule, eigene Plattform, TikTok, traditionelle Medien etc.). Ihre Erfahrungen und der Austausch mit anderen Jugendlichen und Erwachsenen vor Ort soll im Mittelpunkt stehen.
Gegenbesuch einer rumänischen Klasse
Im Frühjahr 2024 erfolgt der einwöchige Gegenbesuch der rumänischen Jugendlichen aus dem Samuel-von-Brukenthal-Gymnasium in Sibiu/Hermannstadt. Im Rahmen dieser Woche wird es darum gehen aus den bisherigen Erfahrungen des Projekts eine gemeinsame Erzählung zu spinnen. Der Fokus wird auf der Entwicklung von persönlichen Geschichten liegen, die Geschichte, Gegenwart und Zukunft ineinander weben und gegenseitiges Verständnis & Begegnung fördern. Dramaturgisch unterstützt werden sie dabei von zwei Künstler*innen. Das Ergebnis wird im Rahmen des Weltsalons 2024, einem Format der "Kulturhauptstadt 2024" der Öffentlichkeit präsentiert. Zusätzlich wird es in der Schule eine für die Öffentlichkeit zugängliche Ausstellung geben, die von den Schüler*innen gestaltet wird und Projekteinblick bietet.
Zur Methodik:
In mehreren Workshops wird mit den Gruppen gearbeitet und diese werden ermuntert, parallel zum Geschichtsunterricht unterschiedliches Material zu sammeln, das in Eigenrecherche oder in Austausch mit der anderen Gruppe zusammengetragen wird und dann sich zu überlegen, wie man alles (realistisch) zusammentragen kann, dass man eine Narration – sowohl der geschichtlichen Recherche, als auch der künstlerischen Auseinandersetzung (vielleicht als Metaebene / roter Faden) – in einem bestimmten Endmedium dann hat. Zurzeit ist noch nicht klar, was dieses Endprodukt sein soll; es kann ein Fanzine, Buch, Homepage, Blog, Film, Ausstellung, …… sein. Für weitere Formen des künstlerischen Ausdrucks, die sich im Rahmen des Projekts entwickeln, besteht größtmöglich Offenheit.
Bad Ischl, im April 2024
Siebenbürgen Connect: Bad Ischer Schüler:innen auf den Spuren der Landler in Rumänien
Ein Reisebericht von Dr. Michael Kurz
Unter der Leitung des Historikers Dr. Michael Kurz und begleitet von Mag. Gunde Rabeder unternahmen die Klassen 4 HLSa und 4 HLW der HLW Bad Ischl eine Reise nach Hermannstadt in der rumänischen Region Siebenbürgen. Dies geschah im Rahmen eines Projekts der „Kulturhauptstadt Salzkammergut 2024“ und wurde zusätzlich von der oead-Kulturvermittlung für Schulen unterstützt. Beim kulturell ambitionierten Projekt außerdem dabei: der österreichische Fotokünstler mit rumänischen Wurzeln, Ovidiu Anton.
Hermannstadt war 2007 Kulturhauptstadt Europas, was sich für einen Vergleich mit 2024 gut eignet, weiters bestehen zwischen verschiedenen Salzkammergut-Gemeinden und Sibiu, so der rumänische Name von Hermannstadt, jahrelange Beziehungen. Dorthin wurden nämlich im 18. Jhdt. viele Evangelische aus dem Salzkammergut vertrieben. Sie ließen sich damals vor allem in den drei Dörfern Neppendorf, Großau und Großpold nieder.
Der Besuch des Brukenthal-Gymnasiums, mit ca. 800 Schüler:innen der größten deutschsprachigen Schule Rumäniens, stand gleich am ersten Projekttag am Programm. Gemeinsam erarbeiteten die Schüler:innen aus Ischl und Hermannstadt einen Vormittag lang verschiedene Themen, stellten dabei Vergleiche zwischen dem Salzkammergut und Siebenbürgen an, zwischen den Städten Bad Ischl und Hermannstadt und thematisierten das Thema Kulturhauptstadt. Durch den Besuch von Unterrichtsstunden konnten die Jugendlichen aus Bad Ischl auch Einblicke in den rumänischen Schulalltag gewinnen.
Eine sachkundige Stadtführung durch Hermannstadt rundete den ersten Tag ab.
Auf den Spuren der Landler
Am zweiten Tag fuhr die Schülergruppe nach Neppendorf, Großau und Großpold und wurde dort in die Geschichte der Gemeinden eingeführt, besuchte Museen und Kirchen und lernte nicht zuletzt in Person des Großpoldner Pfarrers Meitert einen äußerst liebenswerten „Landler“ kennen, der nicht nur seine Kirche und ein Heimatmuseum vorstellte, sondern auch zu Kaffee und Kuchen einlud.
Anhand eines Besuchs des Teutsch-Hauses erfuhr die kulturell und historisch interessierte Reisegruppe viel über die Geschichte der Siebenbürger Sachsen und den momentanen Zustand der „deutschen“ Minderheit. Ergänzend dazu stand der Besuch des Astra-Museums am Programm, einem Freilichtmuseum der siebenbürgisch-rumänischen Kultur
Schrumpfende Bevölkerungszahlen
Der Besuch des Deutschen Forums, dem Vertretungsorgan der deutschen Minderheit in Rumänien, und der deutschsprachigen Hermannstädter Zeitung standen ebenfalls auf dem Programm. Die deutschsprachige Minorität hat zwar nach wie vor großen Einfluss im Land, beispielsweise ist der rumänische Staatspräsident Klaus Johannis gebürtiger „Sachse“ und war Bürgermeister von Hermannstadt. Er unterrichtete sogar einige Jahre im Brukenthalgymasium.
Allerdings schrumpfte die Minderheit seit den 1990-er Jahren von etwa 800.000 Personen auf 20.000 zusammen. Nicht wenige wanderten nach Österreich und Deutschland aus. Dass es trotzdem noch mehrere deutschsprachige Zeitungen gibt und im Sommer immer wieder Treffen der Ausgewanderten stattfinden, zeugt von der großen Verbundenheit der Siebenbürger zu ihrer Tradition.
Künstlerische Reflexion
Die Projektwoche „Siebenbürgen Connect“ stand nicht zuletzt im Zeichen künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema. Das Medium Fotographie stand hier im Zentrum. Der Künstler Ovidiu Anton stellte den Schüler:innen verschiedene Aufgaben, die sie mit einer analogen Einmalkamera im Retro-Stil bewerkstelligen mussten. Die Frucht der Anstrengungen wird in einer Ausstellung bzw. einer Publikation zu sehen sein.
Mit vielen Eindrücken und neuen Einsichten zur Bedeutung der Kultur im europäischen Zusammenhang, die zu gegenseitigem Verständnis und Toleranz führt, traten die Schüler:innen die Heimreise an. Sie freuen sich schon auf den Gegenbesuch der Schüler:innen des Brukenthalgymnasiums im kommenden Frühjahr, wo sie diese in unsere Kultur einführen werden.
An dieser Stelle geht ein herzlicher Dank an die Verantwortlichen der Europäischen Kulturhauptstadt 2024, die für das Projekt ein offenes Ohr hatten und es tatkräftig förderten!
Fotos: Copyright: M. Kurz/ECOS Bad Ischl
Abbildung 1: Schüler:innen der HLW Bad Ischl und des Brukenthalgymnasiums bei der Themenarbeit
Abbildung 2: Bei der Großauer Kirchenburg
Abbildung 3: Holzkirche im Astra-Museum